Einfach, aber erfolgreich | |
Das Bündnis von Renault und Nissan spart Kosten durch klare Strukturen und eine ausgeklügelte Plattformstrategie | |
von Marco Dalan Düsseldorf - Unnütz verbrachte Zeit ist für Carlos Ghosn ein Greuel. Der 52jährige hat sein Leben strikt durchorganisiert. 48 Stunden monatlich sitzt er im Firmenjet Gulfstream 6550. Zwei Wochen eines Monats gehören Nissan, zwei Wochen Renault. Sitzungen dauern im Idealfall 55 Minuten. Fünf Minuten davon entfallen auf die Darstellung der Ziele, 20 Minuten auf die Problembeschreibung, 20 Minuten auf die Diskussion, fünf Minuten auf die Zusammenfassung, und in den verbleibenden 300 Sekunden wird eine Entscheidung gefällt. "Kein Meeting ohne Beschluß", hat der Vorstandsvorsitzende von Renault und Nissan vorgegeben. Der straffe Ablaufplan für Sitzungen ist Teil des "Projekts Simplicity", das Ghosn knapp einen Monat nach seinem Amtsantritt bei Renault am 1. Mai 2005 anstieß. Und es steht exemplarisch für die Art und Weise, wie Ghosn gemeinsam mit seinem Vorgänger Louis Schweitzer in den vergangenen sieben Jahren aus einer "liaison dangereuse" - dem Einstieg Renaults mit 44,4 Prozent beim hochverschuldeten japanischen Autobauer Nissan - eine "liaison merveilleuse", eine Erfolgsgeschichte, machten. Im Gegenzug erwarb Nissan 15 Prozent am französischen Unternehmen. Heute sind beide Unternehmen gemeinsam mit 6,1 Mio. abgesetzten Pkws und einem Weltmarktanteil von 9,8 Prozent die globale Nummer vier vor VW oder DaimlerChrysler und hinter General Motors (GM), Toyota und Ford. Nun plant Ghosn den nächsten Coup: Das französisch-japanische Doppel soll mit GM zu einem Triumvirat erweitert werden. Als sicher gilt, daß Ghosn im Falle einer Allianz die Blaupause der Zusammenarbeit von Renault und Nissan nutzen wird. Dabei werden vor allem "einfache Strukturen" und klare Ziele die Hauptrolle spielen. Bereits in der Vergangenheit verblüffte Ghosn die Öffentlichkeit mit überaus ambitionierten Zielen. Am 27. März 1999 wurde die Allianz von Nissan und Renault besiegelt. Während Wettbewerber wie die Visionäre der "Welt-AG" von DaimlerChrysler ihre Partnerschaften nur zögerlich mit Leben erfüllten, ging es bei der frankojapanischen Verbindung schnell zur Sache. Statt die alte Mannschaft zu behalten, entsandte Paris bereits im Oktober Ghosn nach Tokio. Sein Auftrag: Sichten und sanieren. Seine Formel für die Rettung des Autobauers Nissan lautete schlicht "180" - eine Million mehr Autos, acht Prozent Rendite und null Schulden. Bis 2003. Ghosn erreichte seine Vorgaben. Auch in Europa wurde Tempo gemacht. Nach wenigen Monaten der Kooperation wurde in Europa eine gemeinsame Verkaufsorganisation eingeführt. Heute sparen die Partner pro Jahr 1,4 Mrd. Dollar allein im Einkauf. Parallel dazu wurde mit dem Baustart des Renault Scénic für den mexikanischen Markt im Nissan-Werk Cuernavaca im Dezember 2000 die erste gemeinsame Produktion verwirklicht. Im Gegenzug läuft heute unter anderem der Nissan-Pick-up in Brasilien bei Renault vom Band. Eine gemeinsame Produktion gibt es für die leichten Nutzfahrzeuge Renault Trafic und Nissan Primastar in Barcelona. Zügig eingeführt wurden auch gemeinsame Plattformen - das spart Entwicklungskosten. Der Nissan Micra und der Renault Modus basieren auf ein und derselben Grundlage, der sogenannten B-Plattform. Die C-Plattform für die Mégane- und Scénic-Familie ist die Grundlage für künftige Nissan-Modelle in der Kompaktklasse, dazu gehört etwa das Modell Almera. Beizeiten sollen auf einer gemeinsamen D-Plattform die Nachfolger des Renault Laguna und des Nissan Primera entstehen. Als Renault und Nissan sich zusammentaten, gab es 33 Plattformen. Für 2010 plant die Auto-Allianz nur noch mit zehn. Gleichzeitig kooperieren Nissan und Renault in allen weiteren wesentlichen Bereichen wie der Motoren-, Komponenten- oder Getriebeentwicklung, legen die Logistik zusammen, forschen gemeinsam und führen parallel neue Navigations- und Kommunikationssysteme wie zuletzt 2004 beim Nissan Tiida und Renault Laguna sowie beim Nissan Pathfinder ein. Modellpolitik und auch die Aufteilung der Märkte sorgen dafür, daß sich die beiden Marken nicht zuviel Konkurrenz ma | |
Artikel erschienen am Wed, 5. July 2006 | |
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Provided by Hannes Migga-Vierke last modified 03 Jun 2007 |